Glaziale Serie – Definition, Entstehung und Hauptformen

Die Glaziale Serie bezieht sich auf eine bestimmte Abfolge von Landformen in Mitteleuropa, die während der pleistozänen Vergletscherung unter den Eisschilden, entlang ihrer Ränder und auf ihren Vorländern bei jedem Gletschervorstoß entstanden sind.

GlazSeriebild
Die Glaziale Serie (Skizze)

Definition – Was ist eine Glaziale Serie?

Der Begriff „Glaziale Serie“ wurde bereits 1882 von Albrecht Penck zunächst für das nördliche Alpenvorland verwendet. Später wurde der Term erweitert und auf die skandinavische Eiszeitregion bezogen.

Die glaziale Serie bezeichnet die Landschaftsformen, die in einer bestimmten Reihenfolge durch jeden Gletschervorstoß entstanden sind. Nur im Idealfall sind aber auch alle Elemente zu erkennen, was aber noch am ehesten in der Jungmoränenlandschaft gegeben ist. Schematisch besteht die glaziale Serie aus Grundmoränen mit einem Zungenbecken, welche unter dem Eis gelegen haben, einer hügeligen Endmoränenkette, die sich bogenförmig um das Zungenbecken angeordnet hat und den weitesten Vorstoß des Eises kennzeichnet, dem davorliegenden, leicht abschüssigen Sander, der durch die ausgetretenen Schmelzwasser aufgeschüttet wurde und dem Urstromtal, in dem sich das Schmelzwasser und das Wasser der von Süden kommenden Flüsse sammelte und parallel zum Eisrand ins Meer abflossen (SEEDORF 1977, S. 59).

Laut dem Lexikon der Geowissenschaften von Spektrum.de ist eine Glaziale Serie eine

regelhafte Abfolge von Sedimenten und geomorphologischen Formen, welche durch glaziale und fluviale Geomorphodynamik am Gletscherrand und im Vorland des Gletschers entstanden ist. Der von Albert Penck eingeführte Begriff umfasst im Idealfall: Grundmoräne mit Zungenbecken und Zungenbeckensee, Wälle der Endmoräne, die fluvioglazialen Ablagerungen der Sander und das Urstromtal. Durch die Oszillation des Eisrandes und die Dynamik des fluvioglazialen Schmelzwassers entstehen im Wechsel und Zusammenspiel von Glazialerosion und Glazialakkumulation diese Sedimente und Formen in einer räumlichen Anordnung, die einen genetischen Bezug von glazialen und fluvioglazialen Sedimenten erlauben.Spektrum.de

Der Begriff „Glaziale Serie“ beschränkt sich auf die von Gletschern geschaffenen und nach geomorphologischen Regeln klassifizierten Landformen, im Gegensatz zu den mit Gletschern assoziierten und nach ihren geologischen Merkmalen klassifizierten Gletscherablagerungen und Sedimentgesteinen. Eine vollständige Gletscherserie bildet sich, wenn der Rand des Eisschildes lange Zeit statisch bleibt und nicht durch ein weiteres Vorrücken der Eismasse wieder zerstört wird.

Hauptformen

Die Elemente einer idealen und vollständigen Gletscherserie sind:

  1. eine Grundmoräne mit zungenartigem Becken (Zungenbecken)
  2. eine Endmoränenkette, die in einem Bogen um das Zungenbecken liegt
  3. ein Kies- oder Sanderebene vor der Endmoränenkette
  4. ein glaziales Schmelzwassertal (Urstromtal), durch das Schmelzwasser vom Gletscher abfloss.

Merkmale

Grundmoräne

  • flachwellige Oberfläche
  • zahlreiche Seen
  • großes Korngrößenspektrum
  • teilweise große Steine (Findlinge)
  • fruchtbare Böden
  • Vorkommen: Norddeutschland, Alpenvorland

Endmoräne

  • befindet sich am Rand eines Gletschers
  • Entstehung durch Aufschieben von Sediment durch Eis
  • kann mehrere 100 Kilometer lang sein
  • wallartige Aufschüttung (kann mehrere 100 Meter hoch sein)

Sanderebene

  •  breite, schwach geneigte Schwemmkegel
  • Entstehung, wenn Gletscherschmelzbäche die Endmoräne durchschneiden 
  • Verbreitung: nord- und südmitteleuropäisches Vereisungsgebiet

Urstromtal

Als Abfluss für das verbleibende Schmelzwasser fungiert das Urstromtal. Das von Sedimenten befreite Wasser traf mit den von Süden kommenden Flüssen zusammen und wurde so zu einem riesigen Strom, der Richtung Nordsee floss. Das wichtigste norddeutsche Urstromtal ist das Elbe-Urstromtal. Dieser damalige Strom hatte ein enormes Ausmaß: Das rechte Ufer lag da, wo heute das Lauenburger Steilufer ist und das linke Ufer in 10 km Entfernung vor den Altmoränen, wo heute das Scharnebecker Schiffshebewerk liegt. Heute ist die Elbe bei Lauenburg ca. 250 m breit. In nördlicher Richtung wurde der damalige Strom sogar noch breiter: 20 – 30 km in dem Gebiet, welches heute als Elbmarschen bekannt ist (SCHMIDTKE 1992, S. 35-36).

  • Sammlung des Schmelzwassers der Gletscher
  • Flussrichtung: meistens von Süd-Ost nach Nord-West
  • Beispiel aus heutiger Zeit: nördlich der Alpen verlaufendes Tal der Donau, welches die Alpengletscher entwässert

Glaziale Serie in Norddeutschland:

Glaziale Serie: Entstehung im Alpenvorland


Die Alpengletscher, die während der Höhepunkte der Eiszeiten ein Netz von Eisströmen bildeten, flossen immer wieder über die Alpengrenze hinaus und drangen in das Alpenvorland vor. Dort bildeten sie ausgedehnte Vorlandgletscher. In dieser Alpenvorlandvereisung identifizierte Penck eine Reihe von Landformen: die Grundmoränen, die Zungenbecken, die Endmoränen und die davor liegenden Schotterebenen

Die schüsselförmigen Becken, die durch die Ausspülung des Bodens durch den Gletscher entstanden, wurden Zungenbecken genannt, weil sich hier einst die Zunge oder Schnauze des Gletschers befand. In diesen Becken bildeten sich beim Rückzug des Gletschers Gletscherseen (Gletscherrandseen oder Zungenbeckenstauseen), wenn es keinen Abfluss gab. Solche Seen gibt es z.B. im Salzkammergut eine Reihe von Gletscherseen. Typische Landformen innerhalb der Zungenbecken des Alpenvorlandes sind Drumlins, aber es gibt selten Tunneltäler. Um das Zungenbecken herum, am Rande des ehemaligen Inlandeises, befinden sich Kämme eiszeitlicher bis sogenannter Endmoränen.

Till ist das Material, aus dem Grund-, Seiten- und (nicht immer vorhandene) Mittelmoränen bestehen. Die Grundmoräne besteht aus Material, das einst unter dem Gletscher lag und von diesem transportiert und über weite Bereiche des ehemaligen Gletscherbettes abgelagert wurde. Die Seitenmoränen bestehen aus dem erodierten Material, das an den Seiten eines Gletschers mitgeführt wird. Eine Seitenmoräne, die nicht mehr aktiv mit Gletschermaterial aufgefüllt wird, weil sich der Gletscher aus klimatischen Gründen zurückgezogen hat, wird als Flankenmoräne bezeichnet. In den Alpen wurden die verbliebenen Flankenmoränen meist während der Kleinen Eiszeit im Mittelalter gebildet. Sie liegen mehrere Meter höher als die heutige Gletscheroberfläche und reichen weit über die heutigen Gletscherrinnen hinaus. Mittelmoränen entstehen, wenn sich die Seitenmoränen zweier Gletscher beim Zusammenfliessen vereinigen.

Glaziale Serie während Vereisung
Die Glaziale Serie während der Vereisung

Auf der anderen Seite der Moränenzone befindet sich die Schotterauswaschungsebene, die von den Schmelzwässern der Eismasse aufgeschüttet wurde. Diese Wässer kamen meist aus Gletscherhöhlen, deren ehemalige Lage noch heute an den Einbrüchen im Niveau der Endmoränen erkennbar ist. Häufig sind die Schotterebenen deutlich terrassiert; jüngere Abflüsse haben in den älteren Schotterebenen so genannte kleine trompetenförmige Täler eingeschnitten. Das Material der Sickerwasserpläne ist glazialer Boden. Die Transportkapazität des Schmelzwassers ist deutlich geringer als die des Gletschers, so dass größere Gesteine nicht aus dem Zungenbecken herausgetragen werden können. Dagegen können Elemente mit kleinerer Korngröße, wie Tone und Sande, viel weiter transportiert werden, weshalb sie in den Kiesebenen nur selten anzutreffen sind.

Gletscher-Schmelzwassertäler (Urstromtäler) entstanden durch das Abfließen des Schmelzwassers parallel zum Rand der Eismasse und sind ein Merkmal des nördlichen Mitteleuropas. Diese durch Gletscherschmelzwasser entstandenen Täler treten im Alpenvorland nicht wie z.B. in Norddeutschland auf, weil ihre Funktion von den bereits in der Region existierenden großen Flüssen – Donau, Rhein, Rhône und Po – oder deren Nebenflüssen übernommen wurde, die das Schmelzwasser der Gletscher abtransportierten.

Entstehung von Gletscherreihen im nördlichen Mitteleuropa


Der skandinavische Eisschild erreichte oder überquerte mehrmals das nördliche Mitteleuropa. Die Landformen der Gletscherserien folgen hier also von Norden nach Süden aufeinander:

Die Grundmoränenlandschaft besteht überwiegend aus flachem bis leicht hügeligem Gelände, auf dem sich die Eismasse bis abgelagert hat. Zungenbecken, in denen die Auskolkung des Materials eine bedeutende Rolle spielte, kommen in geringerem Umfang vor und sind ein Element der Grundmoränenlandschaft im skandinavischen Eiszeitgebiet. Da der vorrückende Eisschild die Landschaft vollständig verschüttet hat, finden sich eiszeitliche Landformen und Ablagerungen über weite Teile Norddeutschlands. Tunneltäler sind dagegen im nördlichen Mitteleuropa nicht häufig anzutreffen.

Endmoränen fegen in einem riesigen Bogen um die Grundmoränenzone im Süden. Diese Endmoränen sind oft unvollständig ausgebildet und niedriger als im Alpenvorland, aber dennoch im Flachrelief der Norddeutschen Tiefebene deutlich sichtbar. Wegen ihrer vielen Lücken wurde der neutrale Begriff Eisrandlage für die Linie der Endmoränenrücken in Norddeutschland bevorzugt.

Mehr oder weniger ausgedehnte Sander grenzen an die Endmoränen. Sie sind Schwemmfächer, die durch die Schmelzwasser der Gletscher entstanden sind. Sie wurden auch mit Wasser gespeist, das sich aus den Gletscherhöhlen ergoss und die Endmoränenkämme durchschneidet.

Das Schmelzwasser, das über den Sandur floss, sammelte sich im Schmelzwassertal und floss parallel zum Rand des Eisschildes, meist in nordwestlicher Richtung. Schmelzwassertäler sind eine besondere Landform im nördlichen Mitteleuropa.

Die Glaziale Serie: ein Modell der Landschaftsbildung


Wie alle Modelle gibt auch das Modell der Gletscherserie nur ein vereinfachtes Bild der realen Situation wieder. Insbesondere wird oft vergessen, dass die Landformen der Gletscherserien fast zeitgleich nebeneinander entstanden sind, während der Eisrand durch die Endmoräne statisch blieb. Zudem musste das Eis dann bis zu den späteren Endmoränen vorrücken und dann wieder abschmelzen. Die damit einhergehenden Prozesse verändern das Modell der Gletscherserien deutlich. Eine häufige Variante ist zum Beispiel das Auslaufen von jüngeren Schmelzwässern über ältere Grundmoränensohlen.

Darüber hinaus kann ein weiteres Vorrücken des Gletschers zu einer Verschränkung verschiedener älterer Landformen der Gletscherserien führen. So entwässerten z.B. dicht hintereinander liegende Endmoränenlinien im brandenburgischen Teil Deutschlands über die gleichen Sanduren und über das gleiche Schmelzwassertal.

Weiterführende Links und Quellen:

  • Jürgen Ehlers: Allgemeine und historische Quartärgeologie. Enke, Stuttgart 1994
  • Herbert Liedtke: Die nordischen Vereisungen in Mitteleuropa (= Forschungen zur deutschen Landeskunde. Band 204). 2., erw. Auflage. Zentralausschuß für Deutsche Landeskunde, Trier 1981
  • Herbert Liedtke: Eiszeitforschung,. Darmstadt 1990.
  • Herbert Liedtke, Joachim Marcinek (Hrsg.): Physische Geographie Deutschlands. 3., überarbeitete und erweiterte Auflage. Klett-Perthes, Gotha u. a. 2002
  • Schmidtke, K.-D.: Die Entstehung Schleswig-Holsteins. Neumünster 1992.
  • Seedorf, H. H.: Topographischer Atlas Niedersachsen und Bremen. Wachholtz, Neumünster 1977.
  • Semmel, A.: Relief, Gestein, Boden. Grundlagen der Physischen Geographie 1. Darmstadt 1991.
  • Johannes H. Schroeder (Hrsg.): Führer zur Geologie von Berlin und Brandenburg. Band 2: Bad Freienwalde – Parsteiner See. 2., verbesserte Auflage. Geowissenschaftler in Berlin und Brandenburg e. V., Berlin 1994
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